Gesenkschmieden Verfahren

1. Was ist eine Gesenkschmiede?

Bild 1: Formwerkzeuge, die gegeneinander bewegt werden und den Werkstoff in eine spezifische Richtung drängen.

Gesenkschmieden oder auch Gesenkformen ist ein Fertigungsverfahren, genauer Umformverfahren oder Massivumformverfahren, und stammt aus der Hauptgruppe des Umformens. Dort wird es gemeinsam mit dem Walzen, Freiformen, Eindrücken und Durchdrücken der Gruppe des Druckumformens zugeordnet. Nach DIN 8583 ist es ein Druckumformen, bei dem sich Formwerkzeuge gegeneinander bewegen, die Gesenke.

Das Werkzeug enthält die Gravur des zu fertigenden Formteils als Negativ und besteht aus einem Ober- und Untergesenk. Die Gesenke werden mit großer Kraft unter Einwirkung einer Presse oder eines Hammers gegeneinander bewegt und so der Werkstoff in die gewünschte Form gearbeitet.

Die Schmiedestücke überzeugen mit einem homogenen, dichten Faserverlauf, welcher weder Poren noch anderweitige Hohlräume aufweist.

Grundsätzlich handelt es sich beim Gesenkschmieden um die am meisten verwendete Schmiedemethode. Sie kommt zum Einsatz, um zum Beispiel Flugzeug-, Schiffs- oder Autoteile herzustellen sowie bei Konstruktionen und zur Herstellung unterschiedlicher Industrieprodukte.

1.1 Gesenkformen

Das Gesenkformen zeichnet sich im Wesentlichen durch die Unterscheidung in Gesenkschmieden mit Grat und Gesenkschmieden ohne Grat aus. Beide Formen gehören zur Gruppe des Gesenkformens mit ganz umschlossenem Werkstück.

Beim Gesenkschmieden mit Grat wird der überschüssige Werkstoff in den Gratspalt der Gravur gedrängt; der sog. Grat. Das Entgraten, also das Entfernen des überschüssigen Materials, wird mit Hilfe von weiteren Werkzeugen durchgeführt, die dabei wie eine Art Stanze fungieren.

Beim Schmieden im geschlossenen Gesenk befindet sich die Gravur in einer Hälfte des Gesenkes und die zweite Hälfte geht in die erste ein. Eine Gratbildung ist in diesem Fall nicht vorgesehen, deshalb nennt man diese Art des Gesenkschmiedens auch „gratloses Schmieden“. Da kein Grat entsteht, zeichnet sich dieses Präzisionsschmiden im Besonderen durch keinen oder einen sehr geringen Materialüberschuss aus. Das Herauslösen des Formteils erfordert allerdings einen besonders hohen Kraftaufwand im Schmiedeprozess.

Neben dem gerade erwähnten Gesenkschmieden mit ganz umschlossenem Werkstück lässt sich das Gesenkformen folglich auch in Gesenkschmieden mit teilweise umschlossenem Werkstück unterteilen.

Bild 2: Schmieden im geschlossenen Gesenkt

1.2 Unterteilungsformen des Gesenkschmiedens

Gesenkschmieden "von der Stange"

Dem Gesenkformen mit teilweise umschlossenem Werkstück wird das Schmieden von der Stange zugeordnet. In der Regel kommen hier etwa 2 m lange Walzstangen zum Einsatz, die an einem Ende erwärmt, im Gesenk geschmiedet und im Anschluss das Werkstück von der Stange durch einen Hammerschlag getrennt werden.

Der Vorteil des Gesenkschmiedens von der Stange liegt im einfachen Handling, da das Werkstück nicht eingespannt werden muss. Jedoch ist der Werkstoffeinsatz höher, was als Nachteil anzuführen ist. Dieses Verfahren kommt dann zum Einsatz, wenn Werkstücke in einer langgestreckten Form von einem Gewicht bis zu 3 kg und Stangendurchmessern von bis zu 50 mm geschmiedet werden sollen.

Unterformen des Gesenkformens mit teilweise geschlossenem Werkstück sind das Formrecken, das Reckstauchen, das Formrundkneten, das Schließen im Gesenk und das Formstauchen.

Schmieden "vom Stück"

Beim Schmieden vom Stück handelt es sich um Gesenkformen mit ganz umschlossenem Werkstück. Hier wird entweder ein abgescherter oder abgesägter Stangenabschnitt als Ausgangsrohling verwendet. Vorteilhaft am Gesenkschmieden vom Stück ist, dass der Faserverlauf der äußeren Kontur optimal folgt. Als Nachteil kann der größere Materialeinsatz angesehen werden.

Das Gesenkschmieden vom Stück kann entweder mit oder ohne Grat erfolgen. Das Gesenkschmieden mit Grat ist in der industriellen Praxis dasjenige Formgebungsverfahren, das vorrangig zum Einsatz kommt.

In Bezug auf das Füllen der Gesenkgravuren wird zwischen drei Grundtypen von Füllvorgängen differenziert:

  • Stauchen: Der Werkstofffluss verläuft hauptsächlich parallel zur Werkzeugbewegung.
  • Breiten: Der Werkstofffluss verläuft hauptsächlich senkrecht zur Werkzeugbewegung.
  • Steigen: Der Werkstofffluss verläuft parallel gegen die Werkzeugbewegung.

Anders als beim Schmieden mit Grat wird das Werkstück beim Schmieden ohne Grat vollständig vom Werkzeug umschlossen, entsprechend tritt kein Werkstoff aus. Der weitere Verlauf der Umformung erfolgt analog zu demjenigen mit Grat.

Schmieden "vom Spaltstück"

Das Schmieden vom Spaltstück lässt sich letztlich beiden Gesenkformen, mit ganz und teilweise umschlossenem Gesenk, zuordnen.

Das Gesenkschmieden vom Spaltstück basiert auf einer Ausgangsform, die aus einem Streifen Blech ausgeschnitten wird, wobei dieser Prozess durch Flächenschluss erfolgt und die Blechstreifen nahezu verlustlos zugeschnitten werden. Durch Biegen oder Stauchen wird eine Zwischenform erzeugt und die endgültige Form erhält das Werkstück anschließend im Gesenk.

Das Gesenkschmieden vom Spaltstück ist vorrangig für flache und kleine Werkstücke geeignet, wobei der klare Vorteil beim geringen Werkstoffverbrauch und den kurzen Schmiedezeiten liegt. Nachteilig ist der Faserverlauf, der nicht ideal an der Form des Werkstücks angepasst werden kann, wozu es zur Beeinträchtigung der Biegewechselfestigkeit kommen kann.

Dieses Verfahren kommt vor allem bei Massenteilen wie Schraubenschlüssel, Zangen, Scheren oder Messer zum Einsatz, die keiner allzu hohen Festigkeitsbeanspruchung genügen müssen.

1.3 Unterscheidung: Warm-, Halbwarm- und Kaltumformung in der Produktion

In der Produktion wird zwischen der Warm-, Halbwarm- und Kaltumformung unterschieden. Meistens erfolgt das Gesenkformen bei Werkstücktemperaturen oberhalb der Rekristallisationstemperatur, weshalb es auch als Warmumformen bezeichnet wird. Hier wird das Werkstück im Ofen auf die erforderliche Schmiedetemperatur erwärmt so dass das Metall weich wird. Dies erlaub die Herstellung von Schmiedeteilen kompliziertester Formen: Radträger, Kurbelwellen, Lenkschenkel, Pleuel, Zahnräder, Turbinenschaufeln usw..

Zum Einsatz beim Gesenkschmieden eignen sich grundsätzlich alle nach Erwärmung knetbaren Metalle. Die meisten Gesenkschmiedestücke werden zwar nach wie vor aus

Stählen hergestellt, jedoch gewinnt Aluminium als Leichtmetall oder weitere Bundmetalle immer mehr an Bedeutung. So wird das Aluminium-Schmieden gerne in der Automobilindustrie eingesetzt.

Mit der Kaltumformung im Gesenk werden präzise und hochwertige Teile hergestellt. Da das Werkstück nicht vorbereitend einer Erwärmung unterzogen wird, resultieren keine Temperaturausdehnung, Verzunderung und thermische Defekte. Trotzdem wird die Kaltumformung im Gesenk seltener verwendet, weil die meisten Metallen und ihre Legierungen im Kaltzustand eine hohe Festigkeit aufweisen und für ihre Deformation Maschinen mit sehr hoher Leistung notwendig sind.

Bild 4: Vorgänge im Gesenk

2. Vorgänge des Gesenkschmiedens

Das Füllen der Gesenkgravur innerhalb des Gesenkschmiedens erfolgt nach den drei Grundvorgängen der geführten Werkstoffverdrängung, von denen mindestens zwei während eines Gesenkschmiedevorgangs auftreten:

1. Beim Stauchen erfolgt der wesentliche Werkstofffluss parallel zur Bewegung des Werkzeuges, die Ausgangshöhe wird vermindert.
2. Beim Breiten wird der Werkstoff seitlich verdrängt, wobei dies von innen nach außen geschieht. Der wesentliche Werkstofffluss findet beim Breiten senkrecht zur Bewegung des Werkzeuges statt.
3. Beim Steigen werden tiefe Gravur-Hohlräume ausgefüllt, wobei der wesentliche Werkstofffluss parallel gegen die Bewegung des Werkzeuges erfolgt.

Die Übergänge der Werkstoffverdrängung erfolgen meist fließend. Auf das Werkstück wirkt eine Druckspannung, die von dem Ober- und Unterwerkzeug (oder Ober- und Untergesenk) erzeugt wird. Genauer gesagt wird dieser Druck von einer Umformmaschine, der Presse, ausgelöst (siehe Bild 1).

Die umzuformenden Bauteile werden im Vorfeld erwärmt, um die Druckspannungen und die Belastungen auf den Werkzeugen nicht zu stark werden zu lassen. Generell lassen sich nahezu alle umformbaren Materialien im Gesenk schmieden.

Stahl wird zur Umformung der Bauteile in der Regel auf 1.000 °C bis 1.280 °C erwärmt. Es können darüber hinaus auch Werkstoffe wie Magnesium, Aluminium, Edelstahl sowie Messing, Kupfer und ihre Legierungen zum Gesenkschmieden verwendet werden.

3. Ablauf beim Gesenkschmieden

1. Die Erwärmung

Der erste Schritt besteht aus der Abtrennung des Rohlings vom Halbzeug, welcher im Ofen auf die geforderte Temperatur zur Umformung gebracht wird. Zur Erwärmung werden verschiedene Anlagen genutzt, die das Werkstück derart erhitzen, dass die Temperatur oberhalb der Austenitisierungstemperatur des jeweiligen Werksoffs liegt. Dabei werden folgende Anlagen eingesetzt: induktive Erwärmungsanlagen, konduktive Erwärmungsanlagen, erdgasbetriebene Kammeröfe.

2. Die Umformung

Gegebenenfalls muss der glühende beziehungsweise erwärmte Rohling mit einem Lufthammer, einer kleinen Presse oder Quer- bzw. Reckkeilwalzen vorgeformt werden.

3. Das Schmieden

Im Zuge dieses Arbeitsschrittes findet die eigentliche Umformung statt. Dabei befindet sich das Werkstück im Gesenk und das Hauptschmiedeaggregat, das heißt eine Schmiedepresse oder ein Schmiedehammer, kommt zum Einsatz. Für den Umformprozess werden im Allgemeinen mehre Presshübe bzw. Schläge benötigt, wobei das in der Schmiedemaschine integrierte Gesenk auch mehrere Gravuren mit verschiedenen Umformstufen enthalten kann. Bei diesen Umformstufen handelt es sich zum Beispiel um den Biegeschlag, den Rollschlag sowie die Vorgravur und die Fertiggravur. Überschüssiges Material wird in den Grat gedrängt.

4. Das Abgraten, Lochen und Nachformen

Im Rahmen dieses Arbeitsschrittes wird der überstehende Grat entfernt (Entgraten). Hierfür kommen spezifische Abgratwerkzeuge zum Einsatz. Bei Bedarf ist dieser Arbeitsschritt um das Lochen des Werkstückes zu ergänzen. Nach Vollzug des Schmiedeteils ist es möglich, selbiges mithilfe des Gesenkes nachzuformen.

5. Die Wärmebehandlung/ das Vergüten

Im Anschluss wird das Schmiedestück in einem Ofen abschließend vergütet.

6. Das Entzundern

Im Zuge dieses Arbeitsschrittes kommt es zur mechanischen Entfernung der Zunderschicht vom Werkstück.

7. Die Endkontrolle

Nach Abschluss des Schmiedeverfahrens werden alle Präzisionsformteile der Umformtechnik einer umfassenden Sichtkontrolle unterzogen. Der gesamte Umfang aller Kriterien und Maßnahmen der Qualitätskontrolle wird funktionsgerecht je nach Kundenanforderung abgestimmt.

4. Video: Schritte beim Gesenkschmieden

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5. Vorteile und Nachteile

Vorteile des Gesenkschmiedens

Beim Walzen des Vormaterials oder beim Gesenkschmieden selbst werden Fehlstellen wie Poren und Lunker geschlossen, die bei der Fertigung von Gussteilen häufig auftreten. Dadurch wird bei Schmiedeteilen, im Vergleich zu Gussteilen, eine höhere Festigkeit bei gleichem oder sogar geringerem Gewicht erwirkt.

Gegenüber zerspanten Bauteilen zeigen Schmiedeteile einen an die Umformung angepassten Faserverlauf. D.h. beim zerspanten Bauteil wird der Faserverlauf gebrochen (vgl. Bild 5). Daraus resultiert eine hohe statische und dynamische Belastbarkeit von Gesenkschmiedeteilen, da sie perfekt an ihre Beanspruchungen angepasst werden können.

Nachteile des Gesenkschmiedens

Die Art des gewählten Verfahrens bestimmt die Nachteile des Gesenkschmiedens. Die aufwendige Gesenkkonstruktion sowie der erforderliche Materialüberschuss für die Ausformung treten beim Gesenkschmieden mit Grat auf.

Beim Gesenkschmieden ohne Grat verursacht die notwendige Präzision Nachteile, da die Konstruktion der Gesenke noch aufwendiger als beim Gesenkschmieden mit Grat ist. Auch die Einhaltung sehr geringer Toleranzen innerhalb des Prozesses verursachen einen hohen Aufwand. Gesenküberlastungen durch Volumenschwankungen der Vorprodukte führen rasch zu Werkzeugversagen oder zu einer nicht vollständig gefüllten Gravur. Für die Fertigung von Werkstücken mit einer komplizierten Geometrie ist diese Fertigungsmethode nicht geeignet.

6. Faserverlauf beim Schmieden im Vergleich zu alternativen Verfahren

7. Ursprung und Geschichte

Das Schmiedeverfahren findet bereits seit 1.500 v. Chr. Anwendung. Damals wurde beim Gesenkschmieden der Rohling in das Gesenk gelegt und mit einem Hammer in Form geschlagen. Obwohl die Umformtechnik in den nachfolgenden Jahren fortlaufend weiterentwickelt wurde, gelang die Herstellung moderner Gesenkschmiedewerkzeuge erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts in England.

Dieser Fortschritt wurde dabei maßgeblich von der Entwicklung des Dampfhammers begünstigt, wodurch nun auch große Teile geschmiedet werden konnten. Mit dem Voranschreiten des 20. Jahrhunderts wurde auch die erreichbare Genauigkeit im Gesenkschmieden immer höher. Moderne Entwicklungen zielen ebenfalls auf einen höheren Automatisierungsgrad des Schmiedeverfahrens ab.

8. Vielfältige Anwendungsbereiche

Das Gesenkschmieden eignet sich zum Einsatz in der Massenproduktion von einzelnen Werkstücken, wobei diese einige Gramm oder aber mehrere Tonnen wiegen können. Auch bzgl. der Maße und Seriengrößen ist eine große Bandbreite möglich: von wenigen Zentimetern bis mehrere Meter, bzw. von lediglich einigen Stücken bis zu mehreren Millionen.

Das Gesenkschmieden eignet sich zur Herstellung von Konstruktionsteilen für Maschinen wie beispielsweise Flugzeuge oder Fahrzeuge. Es wird aber auch genutzt um Werkzeuge wie Schraubenschlüssel, Zangen oder Hämmer zu produzieren.

Die Automobilindustrie, die Zweiradindustrie, der Maschinenbau sowie die Bahnindustrie, der Bergbau, der Schiffsbau und die Flugzeugindustrie sind die Hauptabnehmer in Deutschland für Werkstücke, die aus dem Gesenkschmieden hervorgehen.

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